Mittwoch, Dezember 02, 2009

Ratlosigkeit: 30.000 zusätzliche US-Soldaten

Der ansonsten so schnelle Obama brauchte fast ein Jahr, um nun doch keine Afghanistan-Rede zu halten, die eigentlich zu erwarten gewesen wäre, denn Afghanistan nahm in seinem Wahlkampf breiten Raum ein, deutete aber bereits an, dass ihm - wie auch McCain brauchbare Antworten fehlen würden, denn der "Krieg gegen den Terrorismus" ist eine politische und wohl auch eine militärische Sackgasse.
Noch mehr Soldaten sollen der Kabuler Regierung den Rücken stärken, den sie demokratisch kaum hat, danach solle der Abzug beginnen. So lautet das vage Konzept, ist nur Fortsetzung des vorherigen Kurses.
Was wird die Folge sein? Dass sich die Talibankämpfer vor den Amis, wo nötig, zurückziehen und Pakistan noch weiter destabilisieren? Dann wieder vorrücken, wenn die Amis abrücken, weil kaum anzunehmen ist, dass der afghanischen Regierung zwischenzeitlich gelingen kann, sich stärker zu verankern bzw. "robuster", wie es neudeutsch genannt wird. Anstelle eines Wirtschaftsprogramms. - So kann das nichts werden. Und auch ohne Machtteilung mit den Taliban kann es nichts werden, weder der Frieden noch die Freiheit und auch keine wirtschaftliche Erholung.

Markus Rabanus >> Diskussion

Freitag, November 27, 2009

Jungs Rücktritt mit falscher Begründung

Der Rücktritt aus dem Kabinett war nach den Enthüllungen zu erwarten und richtig, aber die Begründung ist falsch, denn es geht nicht nur um ein Kommunikationsproblem, etwaige Schwindeleien und Imageschäden, sondern um die falsche Kriegsstrategie, dass militärische Gewalt ohne Notwehrsituation überhaupt zur Anwendung kommt, auch wenn ausschließlich Talibankämpfer zu Tode gekommen wären.
Dass Herrn Jung die Bundeswehrsoldaten ein "Herzensanliegen" waren, soll für deren obersten Dienstherren zwar sein, aber wer für Frieden und Freiheit kämpft, nicht nur für eigenes Obsiegen, dem muss eben auch das Leben der Feinde "Herzensanliegen" sein, sonst ist es klassisches Kriegsverbrechen. - Und der Luftangriff vom 4. September 2009 war ein Massenmord, ein Massaker.

Markus Rabanus >> Diskussion

Donnerstag, November 26, 2009

Afghanistan: Luftangriff und späte Enthüllungen

Der Luftangriff vom 4.September 2009 auf Tanklaster - und 142 Tote, darunter eben doch sehr viele Zivilisten. Was wusste wann und wer? Die Rücktritte von Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan und sowie Staatssekretär Peter Wichert lassen auf Versagen schließen, beantworten jedoch die Frage nicht.
Allemal falsch waren die Erklärungen des ehemaligen Bundesverteidigungsministers Jung, der trotz alliierter Kritik am Tag nach dem Bombardement behauptet, es seien ausschließlich Taliban-Kämpfer zu Tode gekommen. Später räumte Jung ein, möglicherweise habe es auch zivile Opfer gegeben. Aber wenn man seinen Äußerungen von heute glauben dürfte, dass er den Zwischenbericht zu dem Vorfall nicht gelesen, sondern weitergeleitet habe, dann hätte ihn der Vorfall nicht interessiert.
Jung ist zwar inzwischen nicht mehr Verteidigungsminister, aber dürfte für Merkel auch als Arbeitsminister nicht mehr verkraftbar sein.

Markus Rabanus >> Diskussion

Sonntag, August 16, 2009

Kurz vor den Präsidentschaftswahlen

In Kabul riss wenige Tage vor den Präsidentschaftswahlen mal wieder ein Selbstmordattentat zahlreiche Menschen in den Tod.

6.000 Wahllokale sind geplant. Unzureichender Schutz wird die Wahlbeteiligung zur Mutprobe machen oder ist einfach Leichtsinn für jeden, der noch Restfreude am Leben hat oder Verantwortung für die Familie. Und wofür? Welche Alternativen stehen zur Wahl und sind realistisch? Irgendeine wirtschaftliche Entwicklung anstelle von bewaffneter Räuberei und Opium-Anbau? Nicht in Aussicht.
Oder wäre da irgendwo ein afghanisches Landgut, dessen Produkte von Deutschland ausreichend teuer gekauft oder subventioniert=politisch kontrolliert in den afghanischen Wirtschaftskreislauf gebracht würde?
Was ich an Entwicklungsbeispielen im Fernsehen vorgesetzt bekam, überzeugte mich nicht. - Da war mein Vater auf Nias gescheiter, obwohl eigentlich in der Funktion des Arztes, aber er brachte die Landwirtschaft in Schwung, baute Straße und Brücken, damit die Menschen ARBEIT haben und sich ihren Lebensunterhalt verdienen können. -

In Afghanistan riefen die Taliban riefen zum Wahl-Boykott auf. Die Hintergründe solcher Entscheidungen kennen wir nicht, ob sie beispielsweise kandidieren durften, ob der Boykott auf traditionalistischer, grundsätzlicher Demokratie-Ablehnung beruht und/oder in der Erwartung begründet ist, dass die Taliban in geheimen Wahlen zu weit hinter ihren Universalgültigkeitsansprüchen zurückbleiben würden.

Als sich die Sowjets in Afghanistan verzettelten, mit Panzern und Kampfhubschraubern keine zivile Entwicklung zu sichern vermochten, überlegte ich oft, wie sie dort wieder rauskommen und was die Folgen des Abzugs wären. Der Abzug kam und die von Moskau unterstützte Regierung in Kabul mühte sich noch eine Weile ab, dann marschierten die Taliban ein.
Wie ging das weiter? In Zeiten des Kalten Krieges war den Meldungen nicht zu trauen, allenfalls denen von Hilfsorganisationen, aber die halten sich aus guten Gründen mit ihren politischen Einschätzungen zurück.

Heute wie damals ist zu befürchten, dass diejenigen, die sich mit den Interventionsmächten einlassen, aber erfolglos, weil sich für die Menschen zu wenig bessert oder sogar verschlechtert, um ihr Leben fürchten müssen, wenn sie nicht rechtzeitig die Seiten wechseln und ihren Frust in Hass gegen die Interventionsmächte verkehren. Genau das wollen die Taliban bewirken. Das ist ein mörderisches und mieses Spiel der Taliban, aber das wusste man vorher, spätestens mit dem Scheitern der Sowjets.

Und Obama? Es fehlt auch ihm an einem Afghanistan-Konzept. Der Konflikt weitet sich noch immer aus, nach Pakistan und hin zu pakistanischen Atomwaffen, deren Abschaffung zu fordern, sich offenbar auch Obama nicht traut, weil sich die Regierung in Islamabad mit Hinweis auf die indischen Atomwaffen und aus Prestigegründen weigern würde. Dennoch müsste er es fordern. Doch wozu die USA ermuntern, als hätten wir keine eigene Regierung, die ebenfalls mal Initiativen starten könnte. 4000 Bundeswehrsoldaten in Afghanistan, ein unverschämt teurer Einsatz - und die Bilanz rechtfertigt das nicht.

CDU-Merkel-Plakate mit der Parole "Wir haben Kraft" sind in Anbetracht der Realitäten nicht einfach nur lächerlich, sondern erbärmlich.

Mittwoch, Juli 22, 2009

Konzeptionslosigkeit: Die Bundeswehr in Afghanistan

Angesichts der aktuellen Eskalation in Afghanistan wird es für Verteidigungsminister Jung vermutlich zunehmend schwieriger werden, die Begriffe "Kampfeinsatz" und "Krieg" im Zusammenhang mit dem Einsatz der Bundeswehr auch weiterhin als unzutreffend zu deklarieren. Die Gefechte mit Taliban-Einheiten haben offenbar längst auch den Norden Afghanistans erreicht, und Bundeswehr-Einheiten sind zunehmend darin verstrickt - teilweise auch unter Einsatz von schweren Waffen.

Im Zuge dieser Aktivitäten wurden jüngst auch wieder Zivilisten von Bundeswehrangehörigen verletzt und getötet. Schauplatz war einer jener "Checkpoints", mit denen die alliierten Truppen offenbar versuchen, Territorien zu kontrollieren und die Bewegung von gegnerischen Verbänden einzuschränken. Bei allem Verständnis für die Notwendigkeit zur Eigensicherung der Bundeswehr werden hier dennoch die zentralen Aporien der Afghanistan-Mission deutlich. Denn einerseits tritt man mit dem Anspruch auf, nicht nur geduldete, sondern erwünschte Sicherheits- und Aufbauarbeit zu leisten. Andererseits ist die eigene Präsenz offensichtlich auch Teil des Problems, dessen Lösung zu sein sie vorgibt. Denn was bewirkt eine Präsenz, die sich zum allergrößten Teil nur noch mit der Absicherung des eigenen Einsatzes beschäftigen muss, sich zunehmend einigelt und von der Bevölkerung abnabelt? Durch die getöteten Unbeteiligten wird dieser Prozess nur noch beschleunigt. Ein Major der Reserve berichtete mir kürzlich wörtlich, "die Truppe bettelt um Leopard-Kampfpanzer". Man kann sich leicht vorstellen, dass es in einer solchen Situation längst nicht mehr um Kinderkrankenhäuser und Brunnenschächte gehen wird. Das Lamentieren darum, dass ja schließlich die Terroristen für diese Eskalation verantwortlich sind, täuscht zugleich nur schwer über die allgemeine politische Konzeptionslosigkeit bezüglich Afghanistan hinweg.

Und diese Konzeptionslosigkeit besteht nicht nur hinsichtlich des Bundeswehr-Einsatzes, sondern betrifft die Afghanisten-Politik des Westens ganz allgemein. Auch den Vereinigten Staaten unter Obama, der für viele Felder der Außenpolitik einen Paradigmen-Wechsel angekündigt hat, scheint zu Afghanisten nicht viel einzufallen. Seit März läuft nun die "neue Strategie" der Vereinigten Staaten und Großbritanniens, die da heißt: Truppenverstärkung und massives militärisches Vorgehen gegen die wiedererstarkten Taliban-Verbände - mit scheinbar eher durchwachsenem Erfolg. So gehen die Wellen hin und her wie seit Jahrzehnten.

Ein zentrales Ziel des militärischen Kräftemessens lautet dabei, das Stattfinden der afghanischen Präsidentenwahlen am 20.08. in allen Provinzen garantieren zu können. Momentan reicht die Macht des afghanischen Präsidenten aber kaum über die Grenzen von Kabul hinaus. Vielleicht hofft man darauf, dass eine erfolgreiche Wahl einem neuen Präsidenten mehr Rückhalt verschaffen könnte. Aber diese Maßstäbe sind westliche, und es scheint mehr als fraglich, wie viel davon man auf ein Land wie Afghanistan applizieren kann.

martin >> Diskussion